LAPLAND ARCTIC ULTRA LAUF – 500KM PER PEDES DURCH SCHWEDEN

LAPLAND ARCTIC ULTRA LAUF - 500KM PER PEDES DURCH SCHWEDEN 2

Judith hat am Montane Lapland Arctic Ultra Lauf teilgenommen: 500 Kilometer zu Fuß mit Schlitten durch Schwedisch Lappland. Im Anschluss wurde sie mit Fragen zu dieser Expedition überrannt. Die Antworten, die sie der österreichischen “Trailrunning-Szene” im Interview gab, möchten wir euch nicht vorenthalten: 

Wie kommt man auf die Idee, 500 Kilometer durch Lappland laufen zu wollen?

Ich war schon bei einigen Rennen in Schweden, allerdings noch nie so hoch oben im Norden. Schon beim Gedanken an die lange Distanz, die schwierigen Bedingungen dieses außergewöhnlichen Arctic Ultra Marathons und die notwendige Vorbereitung drehte sich meine Komfortzone auf links. Der ganze Charakter dieser Expedition bot mir eine neue Herausforderung -körperlich und mental- und ich war neugierig, wie ich damit zurecht komme.

Ich hatte zuvor an mehreren Ultra-Trail-Rennen bis zu 100km teilgenommen und einige längere Etappenrennen wie z.B. den Transalpine Run bestritten – bei keinem davon musste man einen Schlitten bei eisigen Temperaturen durch tiefen Schnee ziehen und dabei alles, was man unterwegs benötigen würde, wie u.a. Zelt, Schlafsack, Expeditionskleidung, Kocher und Verpflegung mit sich tragen. 

Der Montane Lapland Artic Ultra Marathon war etwas komplett Neues für mich, das brauche ich ein paar Mal im Jahr.

Hattest du dieses Rennen schon länger auf deiner To-Do oder Traumliste, oder war das eher spontan?

Der Montane Lapland Arctic Ultra fand im März 2022 zum ersten Mal statt. Als ich von diesem Laufabenteuer Mitte Dezember 2021 erfuhr, war ich sofort Feuer und Flamme und im Januar angemeldet. Es gibt ein vergleichbares, bereits etabliertes Rennen in Yukon, den Montane Yukon Arctic Ultra. Die Anreise nach Schwedisch Lappland ist zum Glück nicht so weit wie nach Kanada.

Du kommst aus dem Hohen Norden, wo in der Regel weniger Schnee fällt. Du warst dann auch beim Survival Training im Vorhinein mit dabei. Was hast du dort gelernt?

Im Outdoor Kurs bei Rimfrost Adventures wurden den Teilnehmer*innen grundlegende arktische Winterfähigkeiten beigebracht, die wir für das Rennen brauchten, z.B. ordentliches Packen des Schlittens, Erkennen geeigneter Rastplätze, Feuermachen, Benutzung des Kochers, Schneeschmelze, um unterwegs Wasser zu bekommen, Vorbereitung von Mahlzeiten im Freien, Einrichten des Lagers/Biwaks und Ausprobieren des Schlafsacks. 

Das war eine wertvolle und für Debütant*innen sogar verpflichtende Vorbereitung kurz vor dem Start der Expedition.

Wir verbrachten während des praxisorientierten Kurses viele Stunden in der Natur und übten, wie man sich warm und trocken hält, um Erfrierungen und Unterkühlungen zu vermeiden. Wir beschäftigten uns mit Eissicherheit und damit, wie man die Natur “liest”. Dabei hatten wir Teilnehmer*innen viel Zeit, uns und unsere Ausrüstung in einer winterlichen Umgebung zu testen. „Lernen – Wiederholen – Anpassen“ lautete das Motto und herauszufinden, was am besten zu einem passt. 

Der Survival-Kurs hat mir sehr geholfen, selbstbewusster und geübter im Umgang mit kalten Temperaturen zu werden. Wer mit dem Gedanken spielt, das Montane Lapland Arctic Ultra Abenteuer oder andere Winter-Expeditionen in Angriff zu nehmen und ein Arktis-Neuling wie ich ist, dem kann ich so einen Kurs nur empfehlen. 

War es so, wie es du dir erwartet hast oder gab es Überraschungen?

Erwartet habe ich ein grandioses Outdoorabenteuer, bei dem ich täglich wachsen kann. Ich freute mich beim Lapland Arctic Ultra auf Gleichgesinnte und einen guten Austausch untereinander, gleichzeitig auf die Weite und Stille in Schwedisch Lappland. Zudem hoffte ich auf Rentiere, Nordlichter und eine Zuckerhutlandschaft. Am Ende hatte ich alles plus eine Finisher-Medaille, auf die ich sehr stolz bin. 🙂

Die Wetterbedingungen beim Lapland Arctic Ultra waren anders als erwartet. Es gab viel Neuschnee und die Strecke war selten hart/vereist. Das macht zum einen den Schlitten sehr langsam, zum anderen ist der Einsatz von Schneeschuhen notwendig. Schneeschuhe erleichtern gegenüber Trailrunningschuhen das Fortkommen im tiefen Schnee; darin zu laufen war für mich allerdings sehr gewöhnungsbedürftig. Auch ihr zunächst romantisches Knirschen bei jedem Schritt im Schnee geht einem spätestens nach 300 Kilometern ziemlich auf den Keks. Ein Grund mehr, oft Pausen zu machen und dabei die Stille dieser Landschaft zu genießen.

Wie bist du mit der Kälte zurecht gekommen bzw. wie kalt wird es überhaupt nachts?

Im März können die Temperaturen in einigen Gebieten der Strecke bis zu minus 30 Grad Celsius werden. Wir hatten beim Lapland Arctic Ultra nachts bis minus 20 Grad Celsius. Auf offener Strecke, wie z.B. mitten auf einem See, fühlt sich das durch den Wind deutlich kälter an. Tagsüber war es allerdings ungewöhnlich warm. Die Sonneneinstrahlung machte den Untergrund weich, der Schlitten sank tiefer ein und war dadurch schwerer zu ziehen. Vor allem bergauf kann man da schon mal ins Schwitzen geraten. Nasse Kleidung ist allerdings absolut zu vermeiden, denn sobald es nachts kalt wird oder starker Wind aufkommt, riskiert man eine Unterkühlung. Hypothermie könnte das Ende des Rennens bedeuten. 

An jedem Checkpoint wurden die Teilnehmer*innen beim Lapland Arctic Ultra an Händen, Füßen, Ohren und Nase medizinisch auf Anzeichen von Erfrierungen und Blasen untersucht. 

Zum Glück konnte ich auf mein Equipment zählen. Layering ist bei diesem Rennen unerlässlich; man muss immer darauf achten, dass die einzelnen Kleidungsschichten gut aufeinander abgestimmt sind. 

Ich setze für ultimativen Kälte- und Witterungsschutz bei Jacken, Hosen, Mützen und Handschuhen auf Produkte von Montane, darunter trug ich Baselayer und Socken von Falke. Laut Medical Crew war ich die einzige Teilnehmerin ohne eine einzige Blase, was das Rennen beim Lapland Arctic Ultra natürlich um einiges angenehmer machte als mit den fiesen Biestern.

Warst du immer sicher, finishen zu können?

Nein. Zunächst war ich gar nicht sicher, beim Lapland Arctic Ultra überhaupt starten zu können. Ein paar der Athlet*innen vor Ort erwischte kurz vor dem Rennbeginn eine Covid19-Infektion, u.a. auch meine Zimmerpartnerin. Mein Corona-Test war negativ, doch ich hatte in der ersten Hälfte des Rennens eine ungeheuerliche Erkältung mit Husten, so heftig wie ich ihn nie zuvor erlebt habe und der mich vor allem nachts überfallen und geschüttelt hat. Kaum hatte ich mein Nachtlager im Schnee errichtet und mich in den Schlafsack gelegt, ging’s los. Das war fast unheimlich und ich hatte Angst vorm Hinlegen. 

Das hat mich viel Kraft und Schlaf gekostet. Ich ließ das Abenteuer dadurch besonders ruhig angehen und dachte mir gleichzeitig, was gibt’s Besseres, als den ganzen Tag an der frischen Luft Schritt für Schritt viele Thermoskannen mit Tee und Kakao leer zu trinken?

Wie hast du dir die Ruhe- bzw. Schlafphasen eingeteilt?

Das war das reinste Chaos, da ich mir überhaupt keine Strategie zurecht gelegt habe. Schlafmangel war mein großes Problem beim Lapland Arctic Ultra. Die Aufregung in den Tagen vor dem Start, dann der Husten… Es dauert eine Weile, bis man sich seinen Schlafplatz auf der tiefen Schneedecke zurechtgetrampelt hat. Liegt man dann im Biwaksack, versucht warm zu werden und hört, wie Mitstreiter an einem vorbeiziehen, ist man ruckzuck hellwach und wieder raus aus dem Schlafsack.

Manchmal konnte ich unterwegs einfach die Augen nicht mehr offen halten. Ich lief Schlangenlinien, schwankte wie eine Betrunkene. Dann musste ich mich kurz auf meinen Schlitten legen, um nicht vom Weg abzukommen und im nächsten Eisloch zu versinken. An den Checkpoints beim Lapland Arctic Ultra habe ich dann lange verweilt – zum einen genossen, mit Menschen in Kontakt zu sein, zum anderen war die Zeit dort auch meine Ruhephase. Oft habe ich mich einfach auf einen Sessel in eine Ecke gekauert und den Unterhaltungen der anderen gelauscht.

Wie viele Kilometer hast du am Tag geschafft?

Ich habe die 500 Kilometer beim Lapland Arctic Ultra in siebeneinhalb Tagen absolviert. Die Grenze zwischen Tag und Nacht verschwamm mit der Zeit. Dadurch, dass der Untergrund nachts erhärtete und das Schlittenziehen einfacher machte, habe ich versucht, möglichst viel Strecke in der Nacht zu laufen und tagsüber zu ruhen. Das riss mit der Zeit meinen Schlaf-/Wach-Rhythmus komplett aus den Fugen. 

Auf dem Weg zum Ziel gab es beim Lapland Arctic Ultra neun Kontrollpunkte in Abständen von 30 bis 75 Kilometern. Die bestanden teils aus einfachen Hütten oder Zelten, manchmal konnten wir uns in einem Clubhaus oder einer Eissporthalle aufwärmen, die sogar Platz boten, um drinnen zu schlafen. Es war nie gewiss, zu welcher Tages- oder Nachtzeit ich diese Punkte erreichen würde, doch meistens habe ich dort zumindest eine ausgiebige Pause eingelegt.

Was isst und trinkt man den ganzen Tag? Vor allem wie viel?

Kalorien en masse lautet die Devise. Vier- bis sechstausend davon verbrennt man täglich auf so einem Trip. Das Essen sollte ausgewogen sein und schmecken. Ich habe mir meine Hauptmahlzeiten schon zu Hause selbst zusammengestellt und in Zipper-Tüten portioniert. Als Basis dienten Couscous, Instant Nudeln und Kartoffelflocken. Viele weitere Zutaten waren gefriergetrocknet, um nicht übermäßig viel Gewicht im Schlitten zu ziehen.

Ein Expeditionskocher und Brennstoff zum Schneeschmelzen und Zubereiten von Mahlzeiten sind Teil der Pflichtausrüstung beim Lapland Arctic Ultra. An jedem Checkpoint gab es eine warme Mahlzeit, sogar auch eine vegane Option, falls der Rentiereintopf nicht nach jedermanns Geschmack war. Ansonsten trug ich Riegel und Gels bei mir und ein Beutel mit Snacks baumelte immer griffbereit am Gurt meines Schlittens: eine bunte Mischung aus Trockenfrüchten, Nüssen, Schokolade und Weingummis. In meinen Thermoskannen hatte ich Tee und Kakao dabei.

Was waren die beeindruckendsten Momente?

Die Nordlichter. Överkalix ist der perfekte Ort, um das einzigartige Lichtspiel der Natur zu erleben. Ich wurde immer ganz ehrfürchtig, wenn die teils riesigen bunten Schleier am Himmel über mir zu tanzen schienen. Meist war ich in den Momenten ganz allein, mitten auf einem riesigen zugefrorenen See, ringsum nur Stille und diese unbekannten “Wesen”. Am letzten Tag beim Lapland Arctic Ultra haben sie mich quasi ins Ziel begleitet.

Wie lange hast du im Anschluss für die Regeneration gebraucht?

Nach dem Zieleinlauf brach ich einfach auf meinem Hotelbett zusammen und habe es 48 Stunden lang kaum verlassen. Zum Glück gab’s ein freies Zimmer, denn meine Ankunft war ja erst zwei Tage später geplant. Eine weiche Matratze kann der Himmel auf Erden sein. Ich rappelte mich höchstens hin und wieder auf, um neue Finisher beim Lapland Arctic Ultra im Ziel zu begrüßen und einmal zum gemeinsamen Abtauchen in das eiskalte Wasser des Flusses Kalix.

Das Gefühl der Erleichterung und der Zufriedenheit nach so einem Trip lässt sich kaum in Worte fassen. Ein weiterer Pluspunkt, wenn man 7,5 statt wie geplant 10 Tage benötigt: Es sind noch Snacks übrig. Seltsamerweise hatte ich die noch nicht satt.

Vom Schlafmangel abgesehen, empfand ich die körperliche Belastung durch das Laufen und das Wandern beim Lapland Arctic Ultra nicht zu groß. Wenn der Schlitten gut eingestellt ist, ist das 20kg Extragewicht keine unheimliche Mehrbelastung. Trotzdem ist es ein befreiendes Gefühl rund um die Hüfte, wenn endlich die Stangen des Schlittens ausgeklinkt sind. Meine Knie und Sprunggelenke kickten die Schneeschuhen fast von allein von sich. Alles brauchte eine Zeitlang Pause nach dem Lapland Arctic Ultra. Als nächsten Ultramarathon, bzw. überhaupt längeren Lauf, bestritt ich sechs Wochen später die Harzquerung.

Wem würdest du dieses Rennen empfehlen? Wie lange muss man sich darauf vorbereiten?

Ich kann das Rennen allen Ultraläufer*innen empfehlen, die Lust auf ein nicht ganz gewöhnliches Abenteuer in arktischer Naturkulisse haben. Die Teilnehmer*innen können übrigens wählen, ob sie den Montane Lapland Arctic Ultra zu Fuß, mit dem Mountainbike oder auf Skiern bestreiten möchten.

Ein Hinweis: Es ist schwer, die Monotonie zu beschreiben, die bei solchen Rennen entstehen kann. Ich genieße jede Sekunde, während ich mich in einer der letzten großen Wildnisse Europas fortbewege, aber es dauert sehr lange, von einem Punkt zum anderen zu kommen. Eine einfache Seeüberquerung kann beim Lapland Arctic Ultra Marathon schon mal eine Stunde oder länger dauern, so dass sich die Ausblicke nur langsam ändern. Man sollte also gut mit sich allein klarkommen oder sich eine abwechslungsreiche Playlist zusammenstellen. Ich würde mir wünschen, dass künftig mehr Frauen an solchen Veranstaltungen teilnehmen.

Diesen Text hat Judith als Antwort auf die Interviewfragen verfasst. Habt ihr auch Interesse an einem ähnlichen Abenteuer und vielleicht weitere Fragen an sie? Schreibt uns gern jederzeit.

Alle Bilder in diesem Beitrag stammen von der Fotografin Linnéa Isaksson.

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