running green – VON EINEM LAUFLADEN, DER AUF NACHHALTIGKEIT SETZT

Im Hamburger Stadtteil Altona betreiben Elena Usinger und Matthias („Mättz“) Panoscha einen Lauf- und Triathlonladen, dessen Name bereits veranschaulicht, was ihn besonders macht: running green setzt bei seinem Sortiment auf Nachhaltigkeit.

running green – GRÜNER LAUFEN

Wir Läufer*innen lieben es, in der Natur zu sein – und wollen diese schützen. Getreu dem Motto “Take Only Memories, Leave Nothing but Footprints” hinterlassen wir keinen Müll, wenn wir auf der Straße oder dem Trail in Wald und Bergen unterwegs sind. In organisierten Plogging-Gruppen durchkämmen wir die Grünanlagen deutscher Städte und bücken uns, mit Müllsack und Handschuhen bewaffnet, nach Flaschen, Dosen, Tüten oder anderem Abfall – Aufsammeln, Weiterlaufen. Doch einen ökologischen Fußabdruck haben wir bereits hinterlassen, bevor wir vor die Tür treten. Bei der Wahl unseres Sport-Outfits.

Atmungsaktive Shirts, schweißabsorbierende Kompressionssocken, bequeme Tights und Jacken für jedes Wetter… alles leicht und schnell trocknend – mein Kleiderschrank ist ein Feuerwerk an HighTech-Funktionsmaterialien! Nicht besonders nachhaltig, gebe ich zu. Chemiefasern verbrauchen bei ihrer Herstellung sehr viel Energie. Meist basieren sie auf Erdöl, dessen Förderung massive Umweltschäden nach sich zieht. Sie sind nicht biologisch abbaubar und somit schwer zu entsorgen. Zudem können die darin enthaltenen Schadstoffe eine ernste Gefahr für die Gesundheit darstellen. Noch lange sind nicht alle Textilartikelhersteller auf eine nachhaltige Produktion umgestiegen. Die Herausforderung für den umweltbewussten Kunden ist es, die Produkte zu identifizieren, die Mensch und Umwelt schonen, aber auch sportlichen Anforderungen gerecht werden. Mich interessiert, wie sich ein Laufladen dafür engagiert. 

running green – Kleine, stylische Labels

Ein sonniger Tag in Hamburg. Ich treffe mich mit Elena Usinger, der Inhaberin von running green. Der Lauf- und Triathlon-Laden steht für faire und nachhaltige Produkte – und die Ladentür an der Palmaille 64 wie gewohnt offen. Elena schaut hinter einem großen Karton neuer Ware hervor. “Ach, Hallo!” begrüßt sie mich lächelnd und streicht sich die kurzen blonden Haare aus dem Gesicht.

Ich war schon mehrmals zu Besuch, doch bereits auf den ersten Blick fällt auf: Hier findet man alles nach Themengebieten sortiert. Laufrucksäcke von Inov-8, La Sportiva, Raidlight und Ultimate Direction hängen neben den profilierten Trailschuhen, während der Triathloneinteiler sich eine Ecke mit den Wettkampfschuhen teilt. Die Schuhwände wirken nicht überladen. Nachhaltige Kleidung ist gleichzusetzen mit olivgrünen Baumwollshirts und schlabbrig-schnöden Buxen? Nix da! Altra, Hoka One One, TOPO, Newton… immer wieder entdecke ich kleinere, stylische Labels – modern doch nicht so verbreitet. 

Wir setzen uns mit einem doppelten Espresso in die gemütliche Caféecke des Geschäfts. Während ich das offene W-Lan für meine Notizen aufrufe, beginnen wir zu plaudern, über unsere Laufanfänge – damals…

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Elena ist genau wie ich immer schon gern draußen aktiv gewesen und liebt Laufen in all seinen Formen. Dabei fühlt sie sich am wohlsten abseits von befestigten Straßen. Ihren ersten Halbmarathon hat sie im Rahmen des Drei Talsperren Marathons im Erzgebirge absolviert. “Bei der Anmeldung hatte ich keine Ahnung, was da für Höhenmeter auf mich zukommen”, lacht die sympathische Hamburgerin. “Da hab’ ich dann ein bisschen gelitten – und sehr viel geflucht.”

Mittlerweile ist Elena Trailrun-Expertin und kennt die Bedürfnisse der Teilnehmer ganz genau. Ihr Geschäftspartner Matthias stammt aus Sachsen und ist ebenfalls erfahrener Ultraläufer und leidenschaftlicher Triathlet. 

Mit running green leben die zwei Inhaber ihre eigene Philosophie. Fair, Nachhaltig, Vegan – das sind die Säulen ihres Konzepts und Grundsätze, die sie zuvor in anderen Läden vermisst hatten. “In unserem Sortiment setzen wir ausschließlich auf Produkte und Marken, von denen wir überzeugt sind. Qualität, Nachhaltigkeit und Fairness sind für uns von entscheidender Bedeutung bei der Auswahl unseres Sortiments.” Ressourcenschonende Materialien sind ein Kriterium für nachhaltige Laufbekleidung.

“Wir freuen uns Hersteller im Sortiment zu haben, welche Sportsachen auch aus recyceltem PET und Biobaumwolle herstellen.” Zu erkennen sind diese Teile an entsprechenden Produkt-Anhängern, vor allem aber durch einen Blick ins eingenähte Etikett, wo der Recycling-Anteil ausgewiesen ist. Ein besonderes Augenmerk legt running green auf vegan hergestelltes Equipment, gänzlich frei von tierischen Bestandteilen, welches sie auch deutlich als solches kennzeichnen. Materialien, für die Lebewesen leiden mussten, haben hier keinen Platz. Dazu gehören Wolle, Leder, Fell, Federn aber auch Klebstoffe tierischen Ursprungs.

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running green – die Inhaber beim Lauf an der Elbe, Photo by Björn Lexius

running green – Faire Kleidung

Ein weiterer wichtiger Aspekt von Nachhaltigkeit ist, die Transportwege und damit CO2 möglichst gering zu halten: “Der Großteil der von uns vertriebenen Textilien wird in Europa oder sogar Deutschland hergestellt.” Emissionen in Luft, Wasser und Boden unterliegen in EU-Staaten strengen Kontrollen. running green berücksichtigt, wer ökologisch zertifiziert ist und den Richtlinien bestimmter Nachhaltigkeits-Siegel folgt. Elena, die selbst mehrere Jahre als Gärtnerin 60 Stunden pro Woche auf dem Acker gearbeitet hat, nennt als Beispiel die Fair Wear Foundation und Fair Labor Association, welche sich weltweit für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen im Produktionsprozess einsetzen. Das heißt Arbeitsschutz, vernünftige Arbeitszeiten und faire Löhne sind Voraussetzung für faire Kleidung.

Schnell wird klar: Es geht um Verantwortung auf sozialer, ökologischer und ökonomischer Ebene. Die zwei gehen gezielt auf Hersteller zu. “Das hat uns noch keiner gefragt,” bekommen sie oft als Feedback – positiv gemeint, denn die meisten der Unternehmen, mit denen sie zusammenarbeiten, sind bestrebt, den Produktionsprozess möglichst transparent zu machen. Man spürt, wie viel Herzblut und Energie sie in die Recherche unterstützenswerter Marken legen. “Wir merken sehr schnell, ob sie Lust haben auf unser Konzept, oder versuchen, uns in riesige Mengen hinein zu drängen, die wir nicht loswerden.” Viele sprechen von „grünen“ Angeboten im Sortiment. Es sind zwei verschiedene Dinge, etwas nur zu kommunizieren oder es in die DNA zu pflanzen und langfristig zu leben. 

running green – Palmaille 64

Während unseres Gesprächs sehe ich durch die großen Fensterfronten Läufer*innen auf ihrem Weg Richtung Elbe – auch meine Lieblingslaufstrecke. Die Unternehmensgründer haben sich diesen Standort bewusst ausgesucht. Keine typische Einkaufsstraße. Die Läufer*innen kommen gezielt. Die Palmaille gehört zu den ältesten Straßen Hamburgs. Sie wurde im 17. Jh. auf dem Elbhang als Spielfeld für die Golf-ähnliche Präzisionssportart Paille-Maille (was frei übersetzt soviel bedeutet wie Ballspiel mit Holzhammer) angelegt. Vom berühmten Mann mit dem Hammer sollte hier beim Hamburg Marathon allerdings noch nichts zu spüren sein. Etwa bei Kilometer 10 führt die Blaue Linie die Läufer*innen von der Elbchaussee Richtung Fischmarkt direkt an running green vorbei. Dann ist die heute vierspurige Prachtstraße für den Verkehr gesperrt und den Athleten und Zuschauern vorbehalten. Mit Musik, Kaffee und Franzbrötchen (veganes Hamburger Gebäck) sorgt running green für gute Stimmung. 

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running green – Standort Palmaille 64

Ich muss schmunzeln, wenn ich mich an den Anfang des Jahres 2017 erinnere. Als hier (an den ehemaligen Räumlichkeiten einer Bankfiliale) die Ankündigungsplakate für running green hingen, habe ich mir die Nase an der Schaufensterfassade plattgedrückt und dachte “Endlich ein Laufshop in der Nähe!” Im Mai 2017 hat running green seine Pforten geöffnet.

Anträge für Girokonten und Baufinanzierungen werden hier schon lange nicht mehr sortiert, alte Auslegware und Aktenschränke wurden rausgerissen. Der Tresorraum beherbergt nun eine gute Auswahl an Sportausrüstung. Was außerdem bleibt, ist der Fokus auf persönliche Beratung – und die ist Gold wert für uns Läufer*innen, ob gemütlich oder ambitioniert.

running green – auch Online erreichbar

Auch heute nimmt sich Elena viel Zeit für mich und meine Fragen, während ein Mitarbeiter einen Kunden über den Bikefitting-Service informiert. Matthias hat sich für die Buchhaltung zurückgezogen. Von Anfang an nutzten die Unternehmensgründer die digitalen Medien, um ihr Geschäft bekannt zu machen. Suchmaschinen-Optimierung, Facebook und Instagram… “Unsere Kunden sind relativ jung, und es kommen überraschend viele Frauen”, sagt Elena. Der running green Online-Shop dient als digitales Schaufenster, besonders für Leute von außerhalb. “Für den Versand nutzen wir teilweise schon einmal verwendetes Verpackungsmaterial. Damit wollen wir unnötigen Verpackungsmüll reduzieren.” Versendet wird mit DHL go green.

Nichtsdestotrotz hinterlässt jedes Produkt einen ökologischen Fußabdruck. “Wir fragen und beraten jeden vor dem Kauf, welche Produkte und Funktionen wirklich benötigt werden.” Besonders Gelegenheitsjogger und Einsteiger regen sie bewusst dazu an, weniger und seltener zu kaufen und diese Teile dann möglichst lange zu tragen. Das von einer Verkäuferin zu hören, begeistert mich. Auch wer nur ab und zu beim Triathlon in die Fluten steigt, kann sich im Laden Neoprenanzüge ausleihen, statt sich sofort einen eigenen anschaffen zu müssen. 

running green – mit modernster Technik zum richtigen Schuh

“Schuhe sind ein schwieriges Thema.” Elena runzelt die Stirn. Es ist noch immer nicht möglich, rundum nachhaltige Laufschuhe zu bekommen. Hier ist kompetente Beratung besonders wichtig. Bei der Wahl des richtigen Schuhs setzt running green modernste Technik ein. Herzstück der Laufanalyse ist ein Gerät, dass mittels Druckmessplatte die Verteilung von Fuß und Equipment im gesamten Bewegungsablauf sichtbar macht. Mit geschultem Auge unterstützen zwei Angestellte, für jeden individuellen Laufstil das passende Paar Schuhe zu finden. In einer Online-Bewertung lese ich: “Dickes Lob! So eine tolle, fachlich fundierte Beratung! Erst eine umfangreiche Befragung, dann die Druckmatte, dann ein Testlauf und danach bekam ich fünf verschiedene Schuhe zum Probieren. Trotz matschigen Wetters wurde ich zu Probeläufen nach draußen geschickt. Ich bin ganz begeistert.” Wenn die Zufriedenheit mit einem Sportartikel gegeben ist, wird man auch lange damit laufen und nicht unnötig neue kaufen – gegenwärtig wohl die nachhaltigste Entscheidung.

Am Ende ihres langen Laufschuhlebens können ausgelatschte Schlappen zu running green zurückgebracht werden. Ein Unternehmen aus Holland nimmt diese mit und verarbeitet die Komponenten weiter. Darüber hinaus nimmt running green für einen benachbarten, gemeinnützigen Verein Spenden in Form von funktionsfähiger Ausrüstung entgegen, die im Anschluss von Bedürftigen weiter getragen werden.

running green – Ein Ort zum Wohlfühlen

All diese nachhaltigen Angebotsleistungen sind sicherlich entscheidendes Wahlkriterium der Kunden – doch running green ist noch mehr. Das Wort “Community” fällt auffällig oft in unserem Gespräch. “Unsere Vision: ein Ort zum Wohlfühlen für Läufer*innen, Urban- und Trailrunner, Triathlet*innen, sowie für unsere Nachbarn.” Nicht selten treffen sich externe Trainer hier mit ihren Athleten, um bei veganen Köstlichkeiten und Kaffee-Spezialitäten aus nachhaltiger Erzeugung den Trainingsplan durchzusprechen – gern gesellt sich eine der zwei Ladenhündinnen dazu. Nach Ladenschluss werden Yogamatten ausgerollt, Workshops durchgeführt und Filmabende abgehalten. Es gab u.a. eine Lesung mit Ultramarathonläufer und Sportpsychologe Dr. Michele Ufer über Motivation, Mentales Training und intelligente Grenzerfahrung, sowie einen Vortrag mit Extremsportler Kai Markus, der 12.000 km zu Fuß von Hamburg nach Shanghai zurückgelegt hat. running green bietet Raum für die Frühabholer-Startunterlagenausgabe zum St. Pauli X-Mass-Run und funktioniert als Treffpunkt. Sozialer Kontakt und direkte Kommunikation sind den Inhabern wichtig. 

Die Eventankündigungen erfolgen über ihre Homepage, Social Media und per Newsletter. Da gibt’s Einladungen ins Triathlon-Trainingslager und Infos zur nächsten Wettkampfreise (es geht nach Transsylvanien!). Regelmäßig im Programm: Testschuhveranstaltungen, bei denen Schuhmodelle mit unterschiedlich starkem Profil, Grip und Dämpfung im Gelände ausprobiert werden können. Auch eigene Lauftreffs werden wöchentlich angeboten. Diese starten meist direkt vor der Ladentür.

An jedem Dienstagabend ab 19:10 Uhr wird beispielsweise beim Tempolauftraining an der Schnelligkeit gefeilt. “Die gehen voll ab!” wirft Coach Matthias ein. Ein SocialRun der besonderen Art ist die “Nachtschicht”: In Teams läuft man (gern verkleidet) durch Hamburgs Nacht und löst dabei, wie bei einer Schnitzeljagd, verschiedenste Aufgaben – da sind schnelle Beine, Köpfchen und vor Allem “Crewlove” gefordert. Nach dem Lauf wird mit alkoholfreiem Bier angestoßen.

Umziehen kann man sich im Laden; die Wechselsachen werden während des Trainings eingeschlossen. “Die Metall-Spinte habe ich gebraucht gekauft, aus einer Schinkenräucherei.” Elena, für die Veganismus eine Lebenseinstellung ist, rümpft die Nase. “Das hat hier noch drei Wochen nach Schinken gerochen.” In der Sport- und Outdoorbranche hat sich in den vergangen Jahren viel getan. Wer bereit ist, sich zu informieren, findet einiges an nachhaltiger Sportkleidung und Ausrüstung. running green hat für uns eine Vorauswahl getroffen und steht uns Läufer*innen gern zur Seite, uns bewusst für ein neues, zeitloses, pflegeleichtes und robustes Lieblingsteil zu entscheiden.

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Diesen Artikel habe ich für die LAUFZEIT Ausgabe 1/20 geschrieben, wo er am 09.12.2019 zuerst erschienen ist (6 Seiten, zum Lesen einfach aufs Cover klicken):

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